Im April 1936 erschienen auf Parlophone zwei Platten mit Hawkins und den Berry’s, die bei Hug Zürich aufgenommen waren. Auf der ersten waren „Love Cries“ und „Sorrow“ (eine Komposition von Berner!), auf der zweiten „Tiger Rag“ und „It may not be true“ zu hören. Neben Hawk spielten Omer de Cock bezw. Hugo Peritz (ts), Ernst Höllerhagen (cl/as), Ernest Berner (p), Billy Toffel (g) James Gobalet (b) sowie Berry Peritz (dr). Dazu eine Besonderheit: In „Love Cries“ ist Hawkins auch als Sänger zu vernehmen, nach Ansicht des profunden Jazzkenners Simmen das einzige Mal in dessen Karriere!

Ernest R. Berner, 12. April 1904 – 19. Februar 1966

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Auszüge aus Ueli Staubs „Portrait eines Jazz-Pioniers – Ernest R. Berner“

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Ernest R. Berners Bedeutung in einer Zeit, in der Jazz noch in den Kinderschuhen steckte, reicht weit über sein Verdienst hinaus, als erster Louis Armstrong oder Coleman Hawkins in die Schweiz gebracht zu haben. Überall hat der Mann, der Konservatoriumsschüler, KV-Lehrling, Amateurmusiker, Modezeichner, Agenturbesitzer, Ablöse- und Party-Pianist, Musikhaus-Inhaber, Zeitungsherausgeber, Journalist, Komponist, Wagner-Verehrer, Jazz- und Filmkritiker, Impresario, Festival-Juror, Jazz- und Tanzmusik-Halbprofi, Vertreiber von Baby- und Umstandskleidern und noch vieles mehr war, seine Spuren hinterlassen.

Obwohl er sich seiner Rolle als Pionier bewusst war, drängte er sich nie in den Vordergrund. Seine grössten Stärken dürften das Fehlen von Vorurteilen und ein beispielhafter Liberalismus gewesen sein. Der Mann der allerersten Stunde bewunderte die farbigen Musiker überschwenglich, war überhaupt sehr empfänglich für alles, was aus Amerika kam. Hervorgehoben werden auch sein Witz, das Faible für Anekdoten sowie seine coole Lässigkeit. Manch einer erinnert sich daran, wie er damals ungezwungen, eine Lucky-Strike zwischen den Lippen, am Piano sass.

Berners Berner-Jahre

Ernest R. Berner wuchs in Bern auf. Sein Vater, Hauptmann bei der Berner Stadtpolizei, bestand aber auf einer kaufmännischen Ausbildung, die Ernest folgsam bei einem Herren-Konfektionsgeschäft absolvierte. Gleichzeitig besuchte er, versehen mit einem Stipendium der Stadt, das Konservatorium, belegte dort Klavier, Kompositionslehre, Kontrapunkt und Musikgeschichte mit dem Ziel, Kapellmeister auf dem klassischen Sektor zu werden; seine Begeisterung für Richard Wagner schlug bereits hohe Wellen.

Erst 1923 sollten als erste der Schweiz die Radiosender Lausanne und Genf ihren Betrieb aufnehmen. Dafür aber gab’s in jedem besseren Restaurant ein Salonorchester mit Klavier, Geige und Cello. Früh wurde Berners Talent, auswendig nachspielen zu können, manifest. Dies tat er zuhause und kam so der Tanzmusik auf die Sprünge, die damals vornehmlich aus Walzer und Polka bestand.

„Während des Ersten Weltkriegs“, so Ernest R. Berner, „herrschte in der Bundesstadt ein höllischer Betrieb. Die Diplomatenfrauen führten ein reges gesellschaftliches Leben. Einmal  pro Woche fand im Restaurant „Du Théâtre“ ein Bridge-Nachmittag statt mit anschliessendem Tanz. Zu diesem wurde ich als junger Konsischüler samt eines Geigers und eines Cellisten engagiert.“

An diese Zeit erinnert sich der Berner René Bertschy, Ex-Gatte von Kitty Ramon sowie Bassist bei den Chocolate Kiddies (Holland), später bei den Swing Kiddies, Teddy Stauffer und Lanigiro, noch bestens. „Für uns war Ernest Berner ein totales Vorbild – als Mensch wie auch von seiner Intelligenz und seinem Liberalismus her! Nach und nach trafen sich Gleichgesinnte, was zur Vorläuferin der ersten Szene führte. Auffallend viele Akademiker gesellten sich dazu, die wie wir das Extreme liebten; Das Orchester Academicas sollte später noch Geschichte schreiben. Man traf sich meistens bei Bällen und anderen gesellschaftlichen Ereignissen. Solche Soirées brachten Berner als Musiker einen erfreulichen Erfolg.

Nach dem obligaten Mittagsschläfchen soll er sich jeweils wie in Trance zum Flügel getastet haben, um nach Harmonien zu suchen!“

Aus dem Jahre 1923 exisitiert ein Foto, das die 1920 gegründete „Alice Jazz Band“ mit Berner am Piano zeigt und oft mit der Hypothese publiziert wurde, es handle sich um die erste Jazzband der Schweiz.

Einer von Berners Schulfreunden jener Zeit war Ernest Henry Stauffer, später als Teddy berühmt. Etwa zur gleichen Zeit eröffnete Bertschy’s Bruder in Bern an der Schauplatzgasse ein Musikgeschäft mit dem schon nicht mehr schockierenden Namen „Maison du Jazz“!

Ernest Berner entdeckt Paris

Für ihn bedeutete dies der definitive Ausbruch aus der Bürgerlichkeit, war er doch nun am Puls der Zeit. Stars aus den USA wie der damals weltberühmte Paul Whiteman oder Josephine Baker begannen ihre Kontinental-Tournées meistens in Paris.

1926 heiratete Berner die in Ägypten aufgewachsene Engländerin Clairette; im Oktober desselben Jahrs erblickte Sohn André das Licht der Welt. „Es lief wie verrückt!“, erinnert sie sich. Gelegentlich sprachen auch internationale Stars bei Berner vor wie etwa George Gershwin oder Ray Ventura.

Um sein beachtliches Klavierspiel noch zu verbessern, nahm Berner Stunden bei einem der beiden Whiteman-Pianisten – „dem jazzigeren der beiden“, wie er sich ausdrückte. Stolze 100 FF kostete eine Stunde, zudem musste der Schüler Tag für Tag im Lokal, wo die Band abends auftrat, einfinden. Dort sass der Maestro dann schon Whisky-trinkend bzw. –trunken an der Bar, umsorgt von zwei, drei Glamour-Girls. Da auch die Getränke aufs Konto des Schülers gingen, erschöpfte sich dessen Barschaft bald einmal.

Berner, nun fast ein Bohêmien geworden, verkehrte auch oft im Montmartre-Nightclub „Le boeuf sur le toit“, der dazumal total „in“ war. Hier trafen sich Leute wie Cocteau, Picasso, Coco Chanel, Boris Vian oder Darius Milhaud, hier fanden legendäre Maskenbälle statt, hier spielte der berühmte Pianist Clément Doucet vom bekannten Duo Wiener & Doucet. Doucet fand bald Gefallen am Schweizer, der neckisch „Le Berner Oberland“ genannt wurde und sogar an Doucets freien Tagen für diesen einspringen durfte! Bald riss sich die vornehme Gesellschaft von Paris um Soirées mit dem jungen Pianisten, der „einen wahnsinnigen Erfolg hatte“ (Clairette Berner) und oft genug seinem Gönner vorgezogen wurde.

Enttäuscht zurück nach Bern

Es muss eine wunderschöne Zeit gewesen sein, auf die erst ein Schatten fiel, als Berner Tournéeagent für den berühmten Boxer Georges Carpentier wurde. Noch heute spricht seine Witwe ungern von dieser Episode. „Mein Mann hat nie einen Sou zu Gesicht bekommen! Er war derart enttäuscht und hatte auch sonst die Nase voll vom Business, dass wir 1931 zurück nach Bern fuhren.“

In der Bundesstadt war soeben ein neues Dancing eröffnet worden; den Namen „Chikito“ hatte man vom gleichnamigen Erfolgslokal in Paris entlehnt. Ernest liess sich für zwei Jahre als musikalischer Programmgestalter anheuern. Kraft seiner Beziehungen hatte er bald ein gutes amerikanisches Orchester aufgetrieben. In einer Zeit, da Tango und Dixieland Trumpf waren, muss Berners jazzige Programmgestaltung herrlich erfrischend gewesen sein.

Und dann wurde er erstmals seiner künftigen Pionierrolle gerecht: er gab 1932 die Zeitschrift „Jazz“ heraus, die erste in der Schweiz überhaupt! Er war verantwortlich für die deutschsprachige Ausgabe dieses Magazins, das auch in Frankreich, Holland, Belgien und Deutschland erschienen sein soll. Die Artikel aus seiner Feder waren teils mit seinem Pseudonym Roy Brooks unterzeichnet.

Ein Berner in Zürich

Da er in seiner Vaterstadt keine grosse Zukunft mehr sah, trieb es ihn und seine Familie 1933 nach dem aufstrebenden Zürich. Ein Direktor einer Saxophonfabrik half Berner, das Musikgeschäft „The Jazz House“ im 1. Stock an der Ecke Uraniastrasse/Steinmühlegasse zu finanzieren, wo es alle möglichen Jazzinstrumente und viele Platten zu kaufen gab. Im selben Haus fand die Familie Berner auch eine Wohnung.

Jazzpublizist Johnny Simmen, laut eigenen Angaben „bereits seit 1929 verrückt nach dieser Musik“, verknüpft lebendige Jugenderinnerungen mit dem „Jazz House“. „Der Name wirkte auf mich wie eine magische Erscheinung. Bald lernte ich auch Berner kennen, der einen tiefen Eindruck hinterliess! Er kannte ganz einfach alles, stand rückhaltlos zur Jazzmusik und war ein Mann von Format und auserlesenem Geschmack. Eingeprägt hat sich mir auch das unverkennbare Aromagemisch von Zigarettenrauch und dem Duft des Coiffeursalons nebenan!“

Louis Armstrong erstmals in der Schweiz!

Dank Ernest Berner kam Louis Armstrong 1934 erstmals in die Schweiz. Armstrong-Konzerte gab es in Zürich, Genf, Lausanne, Bern und Lausanne. In Zürich trat der schon damals weltberühmte Trompeter am 30. November im grossen Tonhallensaal auf. Um es vorwegzunehmen: Den Konzerten war ein unglaublicher Erfolg beschieden; in der Tonhalle beispielsweise, wo über 1400 Fans erschienen, mussten die Abendkassen gar nicht erst geöffnet werden!

Ernest R. Berner: „Armstrong kam mit dem Bus aus Paris. Es wurde vereinbart, dass das Gefährt zu einer genau bestimmten Zeit in Zürich beim ‚Jazz House‘ ankommen sollte. Die Zeit verstrich, wir wurden nervös. Da kam plötzlich ein Anruf vom Chauffeur. Er sei schon ganz nahe, wisse aber nicht weiter. Es stellte sich heraus, dass der Mann von… Schlieren aus anrief! Zum Glück besass der grosse Jazzförderer Harry Pfister, der ebenfalls ungeduldig wartete, ein Auto, mit dem er den Bus ans Ziel lotsen konnte. Natürlich warteten auch viele Leute im Geschäft, wo ich eine Autogrammstunde organisiert hatte. Jeder, der eine Platte kaufte, musste seinen Namen in Blockschrift auf einen Zettel schreiben, damit Armstrong eine lesbare Vorlage hatte. Aus Müller, Mösli oder Äschbacher wurde allerdings Muller, Mosli und Aschbacher, weil Louis die in seiner Sprache unbekannten Umlaut-Pünktchen wegliess. Darauf angesprochen, unterschrieb er fortan schmunzelnd mit Armströng!“

Im gleichen Jahr begann Berner, regelmässig mit dem Schlagzeuger Bernhard „Berry“ Peritz zu spielen – im Duo, im Trio (mit Johnny Ruckstuhl) oder im Quintett mit dem belgischen Tenoristen Omer de Cock, dem Sänger/Gitarristen Billy Toffel und dem Bassisten Fred Jacquillard, später auch im Sextett mit Coleman Hawkins. Es war Berners Idee, die jeweilige Formation The Berry’s zu nennen. Anfänglich traten sie im Terrasse Zürich, in Adelboden, im „Matter“ Engelberg, im „Capitol“ Luzern oder in Kandersteg auf. „Ernest war ein toller Musiker, aber irgendwie gefiel ihm das Profimétier nicht so richtig!“, erinnert sich Peritz, damit einmal mehr Berners Dualismus zwischen Kommerz und Kreativität ansprechend.

Coleman Hawkins kommt!

1935 kam eine weitere Pioniertat aufs Konto von Ernest Berner. Das ab 1934 in den USA erschienene Down Beat, damals noch eine reine Jazz-Zeitschrift, konnte man dank ihm nun auch im „Jazz House“ kaufen. Und ein Jahr später zeigte er im Sommer zum ersten Mal in der Schweiz Jazzfilme. Ort der Handlung war das Cinéma Urban in Zürich, wo Sohn André 1951 mit seinem Jazz-Festival starten sollte, gezeigt wurden unter anderem Filme von Duke Ellington, Mills Blue Rhythm Band, Claude Hopkins und Cab Calloway. Der Sprecher war Johnny Simmen, der von einem guten Erfolg berichtet.

Und dann schaffte es Berner, im Dezember 1935 den zu jener Zeit schon weltberühmten Tenorsaxophonisten Coleman Hawkins (1904 – 1969) in die Schweiz zu holen! Hawk, 1934 nach England gekommen, war dort festes Mitglied der Band von Jack Hylton und spielte darauf als Freelancer in diversen europäischen Ländern, zuletzt in Holland. Über Hylton, mit dem er zuvor eine Schweizer Tournée gemacht hatte, schaffte Berner den Kontakt mit dem Star. Sehr geholfen haben ihm dabei auch der Basler Hans Philippi sowie Jacques Kluger vom Hot Club d’Anvers in Belgien.

Als Trompeter Louis de Vries davon hörte, dass die Berry’s mit Hawkins auftreten würden, sagte er zu seinem Kollegen, unter denen die Bläser naturgemäss besonders mit B-Tonarten vertraut waren: „Ihr armen Kerle! Der spielt nur in Cis- und Fis-Dur!“

So war man denn recht nervös, als Hawk zur ersten Probe im Corso erschien. Der folgende Dialog wickelte sich ab. Was er spielen wolle, fragte man? „Ist mir egal!“, antwortete Hawkins. Ob ihm „Dinah“ recht sei. „Ist mir egal!“ Ob man es in As-Dur spielen dürfe? „Völlig egal!“

Berner schwärmt von der einmaligen „Low Pressure“- Technik, also das Vermeiden von Druck aufs Mundstück, und vom tiefen G, das Hawk so meisterhaft zu spielen vermochte, dass es den Zuhörern wie ein Naturereignis vorkam. Sehr eindrücklich auch die Schilderung der zwei Seelen, die in der Brust des Amerikaners wohnten. „Die eine war geschmackvoll, die andere fast hässlich!“ Das Wort „hässlich“ war Berner herausgerutscht, worauf er es zu relativieren versuchte: „Wenn die Ambiance gut war, wenn nur wenige Menschen und darunter möglichst hübsche Mädchen anwesend waren, dann spielte er unerhört gut. War aber der Laden voll oder sagte jemand: ‚Der Präsident des Hot Club Zürich ist da‘, dann änderte alles. Hawk machte auf Show, und das hätte er er gar nicht nötig gehabt!“

Voll des Lobes sind auch Clairette Berner und Berry Peritz, die Hawkins ja ebenfalls bestens gekannt hatten. Er sei ein guter, sehr sympathischer, humorvoller und modebewusster Mensch gewesen, bezeugen sie übereinstimmend. War genug Whisky da, würde er sogar gratis gespielt haben – eine Vorliebe, die er mit jener für Mädchen teilte.

Hawk wohnte zuerst bei den Berners, später in der Pension Metzger, woher der bekannte Fotograf Jack Metzger stammt. Wenn Ernest auf Reisen war, musste Clairette das Musikgeschäft führen. Oft half ihr Hawkins beim Verkaufen von Saxophonen. Sein Arbeitslohn: Eine Flasche Whisky…!

Aufgetreten ist Hawkins unter anderem im Corso, Im Tabarin Zürich, in Lausanne, Fribourg, Genf und im damals berühmten Café Matter Engelberg, dessen Besitzer ein angefressener Jazzfan war. Für Hawkins bedeutete der Kurort die erste Begegnung mit dem Schnee, dem er sehr respektvoll, um nicht zu sagen ängstlich begegnete!

Am Eidgenössischen Buss- und Bettag 1936 lud Berner die Berry-Musiker zum Mittagessen ein. Ein Telefonanruf eines verärgerten Restaurateurs aus Dübendorf, wo im Gegensatz zum puritanischen Zürich die Lokale geöffnet waren, störte die sonntägliche Ruhe. Ein von der Agentur Berner vermitteltes Tanzorchester, schimpfte er, sei ohne eine Entschuldigung dem Nachmittagsdienst ferngeblieben. Was er tun solle? Die fröhliche Tafelrunde entschloss sich auf Anregung von Peritz, spontan einzuspringen, und so kam ein Weltstar zu seinem Auftritt in Dübendorf! Die Gage: Fr. 2.50 pro Musiker und Stunde! Alle Welt, auch Berner selbst, sprach im Nachhinein vom Bahnhofbüffet, was aber kaum zutreffen dürfte. Des einen gibt es in Dübendorf gar kein Lokal dieses Namens, des anderen deuten gewisse Details wie etwa ein Wald als Bühnenhintergrund darauf hin, dass es sich um das Hotel Hecht gehandelt haben könnte. Das Publikum scherte sich einen Deut um Jazz. Also spielte man Walzer und ähnliches Volksgut. Hawkins verzog sich also gleich mit einer Flasche Whisky hinter einen Baum der Dekoration. Doch dann passierte etwas Ungewöhnliches: Als das Orchester den Englisch-Waltz „Russian Lullaby“ interpretierte, schoss Hawkins aus dem Wald hervor und spielte spontan mit. „Let’s play it again!“, sagte er, weil ihm das Stück so gut gefiel. Also wurde es nochmals gespielt, dann noch einmal usf. Berner spricht von „unzähligen Wiederholungen“, weist aber darauf hin, dass keiner aus dem Publikum reklamiert hätte! Als es zur Gagenauszahlung kam, wollte man Hawk etwas mehr geben, doch der verzichtete demokratisch darauf.

Berner unterschrieb für zwei Monate als Programmverantwortlicher im Tabarin Zürich. Zusammen mit Coleman Hawkins und dem Schlagzeuger Hanges Landolt bildete er ein Trio, das laut Berner die jazzhungrigen Zürcher vor allem an Wochenenden in hellen Scharen herbeieilen liess. Manchmal gab’s Schlangen bis hinaus auf’s Trottoir. Nach Ablauf der Berner-Aera verkündete der Direktor stolz: „Jetzt weiss ich, was man tun muss. Man muss Swing bringen!“

Filmzeitung, Landi ‘39 und Kriegsrollen

1938 wurde Ernest Berner Herausgeber der „Schweizer Film-Zeitung“, der ersten dieser Art in unserem Land. Natürlich kam auch hier der Jazz zu Wort, etwa in der permanenten Spalte „Jazz im Film“. Berners wichtigster Mitarbeiter war der in Jazzkreisen bekannt gewordene Journalist Arthur Goepfert.

Im Hinblick auf die Landesausstellung 1939 durfte Berner für das Dancing „Palais“ die Orchester engagieren. Über den damals renommierten Agenten Harold Oxley kam er in Kontakt mi seiner Wunschband Jimmie Lunceford. In letzter Sekunde wurde aber das Engagement angesichts der polititschen Bedrohungen rückgängig gemacht! In seiner Not wandte sich Berner an Teddy Stauffer, der mittlerweile mit seinen 18 Mann starken Original Teddies grossen Erfolg hatte und zu jener Zeit, trotz der Swingmusik von den Nazis geduldet, in der Berliner „Femina“ gastierte.

Hochtrabend winkte Teddy ab, doch der Zürcher Musikagent Carl Schlaepfer reiste als Mittelsmann nach Berlin und beschwor die 17 Musiker, wobei es zu einer kleinen Palastrevolution kam. Teddy liess sich überzeugen und musste nachher feststellen, dass er Glück im Unglück hatte, wurde es doch für Ausländer höchste Zeit!

In seinen Memoiren „Es war und ist ein herrliches Leben“ hat Stauffer bezw. sein Ghost Writer diese Episode wohlweislich mit keinem Wort erwähnt, dafür aber das Zusammentreffen im April 1940 mit Berner im Kursaal Zürich, wo dieser irgendwie beschäftigt war. Dort traf ihn Teddy, des Kriegs wegen arbeitslos und „auf der Suche nach einer schlechtgehenden Bar“. „Am Piano sass, eine Zigarette melancholisch an der Oberlippe, mein alter Freund Ernst Berner.“

Nachkriegszeit und versiegendes Jazzfeuer

Nach 1945 erloschen Ernest Berners musikalische Aktivitäten zusehends.1947 erreicht ihn, der auch während des Kriegs amerikanische Filme propagiert hatte, aus Dankbarkeit dafür eine Einladung aus Hollywood; Fotos zeigen ihn mit Stars wie Ava Gardner, Errol Flynn oder Glenn Ford. Auch erhielten er und seine Frau in jener Zeit einen Besuch von Rita Hayworth und Teddy Stauffer. 1951 machte Sohn André als Initiant des Zürcher Amateur-Jazz-Festivals von sich reden; sein Vater stellte ihm für die Ausschreibung die Film-Zeitung zur Verfügung; nicht weniger als 26 Bands haben sich darauf gemeldet! Papa Berner, der bis 1960 in der Festival-Jury sass, verkaufte übrigens das Blatt 1953 infolge unbefriedigendem Geschäftsgang.

Im selben Jahr, wohl auf der Suche nach einem neuen Business, kam Berners Frau Clairette auf die rettende Idee. Ihre Nichte hatte in Paris ein Kleidergeschäft für Babies bis zu zwei Jahren und für werdende Mütter eröffnet und führte dieses mit viel Erfolg. Was die Nichte könne, schaffe sie auch, zumal es in Zürich kein Geschäft dieser Art gebe. Mit viel Mühe brachte sie ihren Mann dazu, mit ihr nach Paris zu reisen und sich das Ganze anzuschauen, vermochte ihn aber schliesslich zu überzeugen. Ihr Mann gab sich grosszügig; das Ladengeschäft PREMA an der Kappelergasse wurde eröffnet.

Seinem geliebten Jazz huldigte er nur noch zuhause am Piano, hat vor allem Earl Hines und noch lieber Teddy Wilson interpretiert. Wilson hatte es ihm schon immer angetan, weil er derart relaxed war. „Es ist nicht gut, wenn Musiker beim Spielen schwitzen“, soll Berner gesagt haben, „und der Wilson schwitzt nie!“

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Zusammengestellt von Thomas Schärer