Zwei Stücke von Gregor & his Gregorians, aufgenommen im April 1929: "Sonny Boy"
& "There's a Rainbow 'round my Shoulder"

Edmond Cohanier, 28. Februar 1905, Genève - 08. November 2003, Genève

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Klarinette, Saxophon

Aus einem Interview mit Otto Flückiger und Frank Erzinger von jazzdocumentation.ch:

„Meine Geburtsstadt ist Genf, wo ich am 28. Februar 1905 zur Welt kam. Mein Vater betätigte sich als Amateurmusiker. Bereits in meiner frühesten Jugend beschäftigte ich mich mit Musik.

Als ich dreizehn Jahre alt war, lernte ich bei einem anderen Musiker Klarinette spielen, bei einem Freund meines Vaters. Nach sechs Wochen Arbeit sagte er zu ihm: „Weitere Stunden sind zwecklos. Edmond spielt bereits besser Klarinette als ich.“ In der folgenden Zeit erweiterte ich meine Kenntnisse im Klarinettenspiel am Konservatorium Genf.

Auf Anraten des Leiters der Blasmusik lernte ich nun auch noch Saxophon spielen.

1921 formierte sich in Genf eine Jazzband, die vom Pianisten George Bernard geleitet wurde. Ich schloss mich als Piccolospieler dieser Gruppe an.

Nun begann ich auch, aus dem Stegreif zu spielen. In dieser Zeit lernten wir auch die ersten Schallplatten kennen. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang auch an den Namen von Paul Whiteman.

Auf Empfehlung (…) kam ich anfangs 1924 zu einer Stelle in Mario Sasselli’s Orchester, das im „Tabarin“ in Genf spielte. Einer meiner Musikerkollegen war Herbert „Berto“ Bornand. Wir wurden gute Freunde; unsere Wege haben sich später immer wieder gekreuzt. Berto hatte vorgängig in Paris gearbeitet. Er machte mir den Mund wässrig, wenn er voller Begeisterung von der Jazzszene in der französischen Metropole erzählte.

Als unser Vertrag mit Sasselli zu Ende ging, übersiedelten Berto und ich nach Lausanne, um dort dem Orchester von Charles Pilet beizutreten.

Im Herbst 1925 traten wir unter dem Namen National-Club Orchester zu Beginn im „Palais Mascot“ in Zürich auf, anschliessend im „Metropol“ in Basel und schliesslich im „Tea-Room Rolfo“ in Genf.

Nebst den vielen Engagements in Paris und in der Provinz war ich 1927 auch wieder in der Schweiz. In der Zwischenzeit war nun auch in Genf das „Mac Mahon“ wieder eröffnet worden. Ich spielte dort mit einer Gruppe, zu welcher auch Starmusiker wie René Weiss und Christian Wagner gehörten. Im Anschluss an Genf verbrachte ich eine Saison in St. Moritz.

Ich werde Mitglied bei den Grégoriens

Da ich bis Oktober 1928 anderweitig unter Vertrag stand, konnte ich erst später den Grégoriens beitreten. Mit dem Trompeter Philippe Brun war inzwischen bei Grégors Formation ein erstklassiger Solist hinzugekommen. Grégor verstand es, seinem Publikum eine grossartige Show vorzuführen.

Ich arbeitete in dieser Zeit fast ausschliesslich in Frankreich, wo ich in verschiedenen Formationen tätig war. Es waren weiterhin turbulente  Jahre, reich an musikalischen Aktivitäten.

Erwähnenswert ist ein Besuch meines Jugendfreundes „Riquet“ Schleiffer, der Ende August 1933 nach Paris kam, um dem Konzert des Orchesters von Duke Ellington in der Salle Pleyel beizuwohnen.

Im Oktober 1933 gehörte ich zu den Gründungsmitgliedern des „Jazz du Poste Parisien“. Dies war eine Vereinigung von französischen  Jazzmusikern für Radioauftritte.

Mit einer solchen Gruppe nahm ich Ende 1934 an einer Radiosendung teil, bei der wir Louis Armstrong begleiteten.

Ende September 1935 war ich ohne Arbeit und wohnte einmal mehr bei meinem Eltern in Genf. Da erreichte mich ein telefonischer Anruf von Grégor. Er erzählte mir von seiner grossen Revue „Jazz Scandale“, mit welcher er momentan im „Corso“ in Zürich auf der Bühne stehe.

Anlässlich der Reise durch Italien lernte ich Doddy Weniger kennen, die Grégor als Sängerin beschäftigte. Sie wurde im März 1939 meine Frau. Doddy und ich verliessen Grégor und wir fuhren nach Genf.

Gründung des Versatile Orchestra

Wieder stellte ich eine eigene Formation zusammen. Anfänglich war es ein Trio, später ein Quintett mit Auftritten im „Du Nord“ und später in der „Brasserie de l’Etoile“.

Nun beschloss ich, mein Glück in Zürich zu versuchen. Gelegenheit dazu bot sich mir am Sylvester 1936, als ich mit einer neu zusammengestellten Crew ein Engagement im „Astoria“ in Zürich antreten durfte. Nachdem wir dort einen Monat lang gespielt hatten, reisten wir mit der gleichen Gruppe nach Davos, wo wir während zwei Monaten im „Palace“ stationiert waren.

Gottlob konnte ich mich an einen guten Freund im Arbeitsamt wenden, der mir für den Mai einen guten Platz in der “Sihlporte“ in Zürich vermitteln konnte. Wieder gelang es mir, eine erstklassige Formation zu rekrutieren, was in jenen Krisenjahren leicht zu meistern war. Als Trompeter konnte ich Rolf Heinemann und Hans Berry, beides Exildeutsche, gewinnen, dann den Tessiner Posaunisten Andreoli und die Saxophonisten Henry Alder, Hugo Peritz und Eddie Brunner. Als Pianist kam Max Fickel dazu. Er war soeben von einer Amerikareise mit der Tänzerin Trudi Schoop nach Zürich zurückgekehrt.

Im Sommer 1937 fuhr ich nach Paris, wo wegen der Weltausstellung Hochbetrieb herrschte. Für Musiker gab es Arbeit in Hülle und Fülle. Dort schloss ich mich dem „Normandie-Orchester“ an, das von Bob Crisler geleitet wurde. Ende August kehrte ich nach Zürich zurück.

Wiederum war ich ohne Arbeit.

So fuhr ich nach Berlin. Zwei renommierte Schweizer Formationen weilten zu jener Zeit bereits in der deutschen Reichshauptstadt, nämlich im „Delphi-Palais“ die Lanigiros mit dem Trompeter Hans Berry und ihrem Leiter René Schmassmann; im weiteren Teddy Stauffer und seine Teddies mit dem Saxophonisten Ernst Höllerhagen im „Femina“.

Und so konnte ich ohne Vorzug Brunners Platz im Orchester einnehmen.

Da das Lokal von den Behörden kontrolliert wurde und ich nicht beim Reichskammer-Musikverband eingetragen war, wurde die Situation für mich allmählich schwierig.

Ende Oktober kehrte ich also in die Schweiz zurück, wo ich mich dem Orchester von Bill Mantovani anschloss.

1939 trat ich dem Orchester Bob Engel bei. Mein Engagement in dieser Formation war von längerer Dauer, blieb ich doch bis Herbst 1940 Mitglied.

Bis Herbst 1943 beschäftigte ich weiterhin eigene Gruppen. Die Kriegsjahre waren geprägt von erheblichen personellen Schwierigkeiten. Es war oftmals mühsam, alle Musikpulte zu besetzen.

Ich hatte von einem jungen Berner Musiker namens Hazy Osterwald gehört. Hazy besuchte zu jener Zeit noch das Realgymnasium und stand kurz vor der Matur.

Er musste ausgefallene Tricks anwenden, damit seine Abwesenheit am späteren Nachmittag – ab 16 Uhr eröffneten wir im „Perroquet“ zum „Thé dansant“ – weder in der Schule noch im Elternhaus auffiel.

Ein zweites Mal  trat ich an ihn heran, als er im Juni 1942 nach der Rekrutenschule zu seinen Eltern nach Bern zurückkehrte. Ich telefonierte nach seiner Entlassung mit ihm: „Hazy, hättest du Lust, als Pianist und Trompeter mit uns nach St. Moritz zu kommen?“ Natürlich wollte er und nicht zuletzt darum, weil er dank seines Engagements einen Aufschub beim Militärdienst erreichen konnte.

In der „La Suisse“ sah ich ein Inserat, wonach das Radio- und Unterhaltungsorchester Beromünster reorganisiert werden sollte und dazu auch neue Musiker gesucht würden. Ich reichte unverzüglich meine Bewerbung ein. In der Folge wurde ich zu einem Probespiel in Bern eingeladen.

Nachdem ich etwa 20 Takte vorgetragen hatte, forderte er mich auf, zu stoppen. Es war offensichtlich, dass ihn mein Können voll befriedigte.

Später wurde dann Cédric Dumont die Leitung des frisch formierten Orchesters übertragen. Nach den Proben wurde ich Mitglied des Radio-Orchesters Beromünster, welches in Zürich beheimatet war und bei dem ich bis 1970 blieb.

Obschon ich mich in den nachfolgenden Jahren aus beruflichen Günden mehrheitlich mit klassicher Musik befassen musste, geriet die Jazzmusik nicht ganz in Vergessenheit. Auch später bot sich mir die Gelegenheit, in Ad-hoc-Formationen – oftmals von früheren Musikerkollegen gebildet -, Jazz zu spielen.“

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Zusammengestellt von Thomas Schärer