After You’ve Gone
Baron Lazar (Eigenkomposition)
(Live im Atlantis, Basel, 1962)

("Atlantis Blues")

I Remember Clifford

("Fly Me To The Moon - Unreleased Swiss Radio Jazz 1960-62")

Canalla
(Live im Chateau Fleur de Lis, Atlanta, 1968)

(„At Chateau Fleur De Lis“)

Ein ausführliches Interview mit Elsie Bianchi-Brunner von Bruno Spoerri kann auf Anfrage gerne angehört werden.  

Video

Elsie Bianchi-Brunner (am Akkordeon, ab 01:15) am Amateur Jazzfestival Zürich 1955, zusammen mit René Nyffeler (Blockflöte)

Elsie Bianchi-Brunner, * Zürich, 05.11.1930, † Royston, Georgia/USA, 17.07.2016

Archivdaten von Elsie Bianchi-Brunner >>>

Pianistin, Sängerin und Akkordeonistin

Eine Jazzmusikerin in zwei Welten

Elsie Bianchi, geboren am 5. November 1930 in Zürich als Elsie Brunner, gestorben am 17. Juli 2016 in Royston, Georgia/USA, war eine Schweizer Jazzmusikerin (Akkordeon, Piano, Gesang). Nach ihrer musikalischen Karriere war sie in der Sportartikel-Branche tätig.

Elsie Bianchi spielte zuerst Akkordeon, wechselte dann im Alter von 10 Jahren zum Piano. Neben dem Musikunterricht absolvierte sie eine kaufmännische Lehre.

1951 bis 1955 trat sie mit grossem Erfolg am Nationalen Amateur Jazz Festival Zürich als Pianistin, Akkordeonistin und Sängerin auf. Unvergessen ist ihr Auftritt am Festival von 1953 mit René Nyffeler (Blockflöte). 1955 wurde ein Auftritt mit Chet Baker vom Schweizer Radio aufgenommen, leider wurden diese Aufnahmen bei einer Räumungsaktion des Radios gelöscht! Sie begleitete Chet Baker aber mehrmals in Italien. 1956 heiratete Elsie Brunner den Saxofonisten und Bassisten Siro Bianchi. Die beiden arbeiteten fortan als Profimusiker. Elsie Bianchi Brunner erweiterte dann das Duo zum Trio mit Schlagzeugern wie Daniel Humair, Alex Bally und anderen.

Pendeln zwischen der Schweiz und den USA – Definitiver Wohnsitz in den USA

1958/59 waren Elsie und Siro Bianchi in den USA. Aus dieser Zeit existiert eine Aufnahme von Howard Rumsey im berühmten Lighthouse in Hermosa Beach/Kalifornien. 1959 kamen sie in die Schweiz zurück und spielten hauptsächlich im Basler «Atlantis». Ab 1962 verbrachte das Paar musizierend jeweils den Sommer in den USA und die Wintersaison in Les Diablerets, Grindelwald, St. Moritz oder Gstaad. 1968 übersiedelten sie definitiv in die Vereinigten Staaten von Amerika. 1978 zogen sich beide aus dem Musikerberuf zurück und übernahmen von Elsies Bruder die Atlanta-Filiale der Sportschuh-Fabrik K-Swiss. Fortan spielten sie Jazz öffentlich nur noch an Wochenenden. 1987 zogen sich Elsie und Siro Bianchi auf eine Farm in Georgia zurück.

Elsie Bianchi Brunner war eine brillante Jazzmusikerin und zudem eine der ersten Frauen, die sich in den 1950er-Jahren in der «Männerdomäne Jazz» in der Schweiz durchsetzen konnte.

(Walter Abry, Jazzletter 37, Januar 2017)

Erste Pionierinnen des instrumentalen Jazz tauchen (in der Schweiz) in den vierziger und fünfziger Jahren auf. Die Dokumentation „Jazz in Switzerland 1930-1975“ beschreibt die Zürcherin Elsie Bianchi Brunner (*1930). Die Dokumentation „Jazz in Switzerland 1930-1975“ beschreibt die Zürcherin als hervorragendes Talent, tatsächlich ist ihre Laufbahn für diese Zeit höchst erstaunlich. Durch zwei ihrer Brüder kommt sie zum Jazz. Sie wird kaufmännische Angestellte, tritt schon 1953 mit dem Blockflötisten René Nyffeler am Amateur Jazz Festival Zürich auf, spielt Klavier in Bars, heiratet den Jazzbassisten und Saxophonisten Siro Bianchi und leitet ab 1957 das Elsie Bianchi Trio. Sie tritt vor allem in Konzertlokalen wie dem Atlantis in Basel auf und pendelt dann lange zwischen Engagements in den USA und der Schweiz. Seit 1978 lebt sie mit ihrem Mann in den USA, seit 1994 zurückgezogen auf einer Farm in Georgia. In der erwähnten Jazz-In-Switzerland-Dokumentation ist sie eine von drei erwähnten Frauen neben der Sängerin Miriam Klein und der Pianistin Irène Schweizer.

Bis in die sechziger Jahre hinein bleibt eine Instrumentalistin wie Elsie Bianchi-Brunner die absolute Ausnahme.

Pionierin Elsie Bianchi-Brunner: „Ich bin unter Männern aufgewachsen, mit vier Brüdern, da wurde ich eben ein „Ruech“. Und darum dachte ich gar nicht daran, dass ich etwa die einzige Frau sei im Jazz. Ich machte mir gar keine Gedanken darüber, ich dachte immer, ich gehöre zu den Buben.“

(Lislot Frei, „Von den Swiss Ladies zu Lily Horn – Frauen im Schweizer Jazz“, in Bruno Spoerris „Jazz in der Schweiz - Geschichte und Geschichten“)

Brilliant, ausgewandert, verstummt: Elsie Bianchi Brunner

Frauen sind heute keine Ausnahmeerscheinungen mehr in der Schweizer Jazzlandschaft. Das war nach dem Zweiten Weltkrieg noch anders. Trotzdem – eine Schweizer Jazzerin machte damals sogar in Übersee Karriere: die Pianistin Elsie Bianchi Brunner. Als Kind hatte Elsie Brunner Akkordeon- und Klavierunterricht erhalten. Ihre Brüder waren begeisterte Jazzfans und steckten ihre Schwester mit dem Jazz-Virus an. 1951 trat sie am ersten Zürcher Amateur-Jazzfestival als junge Jazz-Sängerin und Akkordeonistin auf und wurde auch an späteren Auftritten in Zürich mehrfach ausgezeichnet. In ihren Anfängen als Jazzpianistin hatte Elsie Brunner vor allem weibliche Vorbilder in Übersee. Wenig erstaunlich zog es sie deshalb für Auftrittsmöglichkeiten in die USA.

Ein Trio als Familienunternehmen

In der Folge pendelte sie lange mit ihrem Mann zwischen den USA und der Schweiz hin und her – bis sie Ende der 60er Jahre ganz in die USA zog. Hier konzentrierte sich ihre musikalische Karriere zu einem grossen Teil im Raum von Atlanta, Georgia, wo sie mit ihrem Elsie Bianchi Trio regelmässig Konzerte gab.

Das Trio war in seiner Kernformation ein Familienunternehmen. Ihr Mann Siro spielte Saxophon und Bass, ihr Neffe Schlagzeug. Über zehn Jahre lang spielte das Trio regelmässig im Club «Château Fleur de Lis» in Atlanta und machte hochstehenden und unterhaltsamen Club-Jazz.

Einflüsse aus dem Cool Jazz

Das Elsie Bianchi Trio war eine lokale Grösse und wurde von den grossen US-Medien kaum beachtet. Zu Unrecht, wie ein Artikel in der Zeitung «Atlanta Night Life» 1972 (siehe unten) schreibt: «Elsie is one of the most relaxed pianists I have ever heard. As one listens, it becomes apparent that the ‹very pleasant music› is an unfolding panorama of musical improvisation.»

Elsie sei eine der entspanntesten Pianistinnen, ist im Artikel zu lesen. «Beim Zuhören zeigt sich, dass die ‹gefällige Musik› ein Panorama der Improvisation entfaltet.» Elsie Bianchi Brunners Art zu spielen ist introvertiert und hat eine spielerische Spannung in der Tradition des Cool Jazz.

Der Einfluss kommt nicht von ungefähr: Elsie und Siro Bianchi traten auch in Kalifornien im berühmten Hermosa Club südlich von Los Angeles auf, wo viele Grössen des Cool Jazz oder Westcoast Jazz in den 50er Jahren ihre Bühne hatten: Howard Rumsey spielte dort permanent mit seiner Allstar-Band, Grössen wie die Trompeter Chet Baker oder Miles Davis traten dort mit den Allstars auf.

Mit Chet Baker ging Elsie Bianchi Brunner im Jahr 1955 auch auf Europa-Tournee. Eine Radioaufnahme aus dieser Zeit zeugt von dieser Zusammenarbeit. Angekündigt als «ausländische Überraschung des Abends» spielte Chet Baker live mit dem Elsie Bianchi Trio das Stück «Happy Little Sunbeam».

Die einzige Studio-Platte des Trios

In der Schweiz war Elsie Bianchi Brunners Auftrittsort neben verschiedenen Winterkurorten auch das legendäre Atlantis in Basel. Nach einem dieser Auftritte entstand in den 60er Jahren die Idee zur einzigen Studio-Schallplatte des Elsie Bianchi Trios, dieses Mal mit Charly Antolini am Schlagzeug («The Sweetest Sound», 1965).

Fast 40 Jahre später hat ein CD-Label dann einige Live-Aufnahmen aus dem Atlantis als Rarität veröffentlicht («Atlantis Blues», 2004).

(Christina Omlin, SRF Kultur, 26.08.2015) 

Mein Besuch bei Elsie Bianchi Brunner (Bericht von Bruno Spoerri)

Das Café Atlantis war in den frühen Fünfzigerjahren das Jazz-Eldorado von Basel. Pianisten wie Joe Turner oder Don Gais spielten dort monatelang, und junge Musiker hatten immer wieder die Chance, an einer Jamsession mitzumachen.  Auch das Trio von Elsie Brunner mit dem Bassisten Siro Bianchi und dem Schlagzeuger Fritz Stähli trat dort auf. Elsie war eine der ersten Personen, die mich als Saxophonisten akzeptierte und ermutigte, und wir spielten viele Abende lang zusammen, obwohl ich eigentlich für den Abschluss des Gymnasiums lernen sollte.

Wir trafen uns in den nächsten Jahren immer wieder, bis sie dann endgültig, verheiratet mit Siro, nach Amerika ging. Daraufhin hörte ich nur noch auf dem Umweg über ihren langjährigen Schlagzeuger Fritz Stähli von ihr. Erst – bei der Vorbereitung des Buches über den Schweizer Jazz im Jahr 2004 – suchte ich wieder den Kontakt, weil ich mehr über ihre Lebensgeschichte wissen wollte. Ich erinnerte mich, dass sie irgendwo bei Atlanta in Georgia wohnte, aber mehr war nicht zu finden. Da ich wusste, dass sie auch komponiert hatte, fragte ich einen Freund bei der SUISA, und der fand eine Postfachadresse in einem kleinen Ort, Royston. Aber eine Telefonnummer war nicht zu eruieren, auch eine Stadtverwaltung war nicht auffindbar. Nach langem Suchen stiess ich auf die Nummer der presbyterianischen  Kirche im Ort, rief dort mutig an und wurde vom Pfarrer freudig als neues Mitglied der Gemeinde begrüsst. Er war enttäuscht, dass ich nur eine Auskunft suchte. Nach langem Herumreden suchte er die Telefonnummer heraus, und ich konnte eine sehr überraschte Elsie ausführlich interviewen.

Danach blieb der Kontakt bestehen; immer wieder rief sie spät abends an, um nach alten Schweizer Freunden zu fragen. Im Oktober 2015 waren meine Frau und ich in New York und flogen nach Atlanta, um sie zu besuchen. Wir fuhren zu ihrer Farm in Royston und verbrachten zwei wundervolle Tage in ihrem grossen Haus, mitten in einer grossen Farmlandschaft. Sie war gesundheitlich angeschlagen, litt unter starken Schmerzen und an den Folgen einer schlecht gelungenen Augenoperation. Sie konnte nur mit Mühe ins Untergeschoss gelangen, wo ihr Flügel stand. Sie wollte auch nicht mehr Klavier spielen, da sie ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr genügte. Aber ihr Haus war voll von Erinnerungen an ihre Karriere: Fotos, Plakate, Zeitungsausschnitte über die Auftritte in Atlanta, in Palm Springs, im berühmten Lighthouse in Hermosa Beach. Hinter dem Haus war ein kleiner See, der allerdings nicht zum Baden geeignet war, da ihn offenbar grosse Schildkröten als ihren Besitz beanspruchten. Im Haus zwei Katzen, die so tief verfeindet waren, dass nur eine im Haus lebte und die andere die Garage und den Rücksitz des Autos beanspruchte. Damit sie sich nicht allzu einsam fühlte, war ein Radiogerät dort installiert und sie wurde regelmässig ausgefahren. Die anderen Tiere, die Papageien, Pferde, Kühe, Ziegen, die früher die Farm bevölkerten, waren früher weggegeben worden. Elsies ruhiger Gefährte Siro verbrachte die Tage vorwiegend vor dem Fernseher. Aber Elsie beklagte sich nicht; sie lebte jeden Tag neu.

Kaum waren wir zurück in der Schweiz, hörten wir, dass ihre Gesundheit sich nochmals verschlechtert hatte. Ein halbes Jahr später starb sie, 85jährig. Uns bleiben die Erinnerungen an eine grossartige Pianistin und Sängerin, an eine liebenswerte und tapfere Frau.

(Bruno Spoerri fürs SJO, Oktober 2021)

Plattenkritik

Elsie Bianchi Trio, Atlantis Blues (Sonorama/Groove Attack)

Im Zuge der MPS-Renaissance kommt auch die Schweizerin Elsie Bianchi Brunner (Pianistin und Sängerin) zu späten Ehren: 42 Jahre nach den Live-Aufnahmen von „Atlantis Blues“ aus dem Atlantis Club in Basel werden die Originalbänder (plus zwei vergessen geglaubte Songs einer weiteren Session) nun erstmals für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Im Elsie Bianchi Trio – mit Mann Siro an Bass und Klarinette und Hans-Joerg Schmidt am Schlagzeug – swingt sich die USA-Emigrantin mit leichtem Blues-Touch durch das American Songbook. Hierbei zeugt das herrlich muffige Flair ohne einen kalten Technikglanz von viel Seele. Besonders die instrumentale Eigenkomposition „Baron Lazar“ mit Akkorden-Begleitung und der leidenschaftlich-klagende Gesang bei „Stormy Weather“ versprühen eine faszinierende Stimmung. Ein Fluch für Raritäten-Sammler, aber ein Segen für jeden Musikinteressierten.

(Henrik Drüner, Jazz thing, November 2004) (Nov 04 – Jan 05)

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Zusammengestellt von Thomas Schärer